von KOLJA REICHERT

 

KARIKATUR

Wer hat sich noch nicht über Werbung aufgeregt, die einem Kinokarten verspricht, Radios und Kaffeemaschinen, wenn man nur eine Zeitung abonniert? Dabei kämpften schon im Paris des 19. Jahrhunderts die Verlage mit Prämien um ihre Leser: „75 Folienbände, 6 Sammelalben, das Porträt des Direktors, 23 Konzertkarten, 3 Päckchen Zigarren und ein Glas eingelegte Gurken“ werden dem Interessenten auf einer Karikatur von Honoré Daumier geboten. Zum 200. Geburtstags des Malers, einem der wichtigsten Vertreter des französischen Realismus, zeigt das Museum für Kommunikation zahlreiche Lithographien, die für regimekritische Zeitungen wie „Le Charivari“ entstanden (Leipziger Str. 16, bis 31. 8., Di-Fr 11-17, Sa-So 11-19 Uhr).

Mit Witz und Biss hielt Daumier der bürgerlichen Gesellschaft den Spiegel vor. „Sollte es wirklich Leute geben, die so aussehen?“ fragt ein knollennasiger Herr einen anderen, auf die Zeitung zeigend, welche einen knollennasigen Herren zeigt. Besonders beliebtes Motiv der Karikaturisten war Bürgerkönig Louis-Philippe, dessen Darstellung als nimmersatter „Gargantua“ Daumier 1832 für ein halbes Jahr ins Gefängnis brachte. Was ihn nicht davon abhielt, weiter mit der Zeichenfeder für Bürgerrechte und Pressefreiheit zu streiten. Die zeitnahe Kommentierung des Tagesgeschehens in Bildern war nur möglich durch das 1798 von Alois Senefelder erfundene Steindruck-Verfahren. Sonntags wird es in der Ausstellung mit Originaldrucksteinen Daumiers vorgeführt. Kolja Reichert

21.Juli 2008, DER TAGESSPIEGEL.de